4 Knöpfe und ein Spatz


Vier Knöpfe und ein Spatz:

 

Es war einmal eine Großmutter, die sammelte ihr Leben lang Knöpfe aller Art und verwahrte sie in einem Schuhkarton.

Sie hatte ein Enkelkind, welches sich die schönsten Knöpfe zum Spielen aussuchen durfte.

Dieses Enkelkind suchte sich, wie Kinder das meistens tun, natürlich die vier außergewöhnlichsten Knöpfe aus.

Lange Zeit hütete das kleine Mädchen die Knöpfe wie einen wertvollen Schatz. 

Aber wie das mit allem Spielzeug ist, irgendwann verliert es den Reiz, landet in einer Schublade und wird vergessen.

 

Mittlerweile befanden sich die Knöpfe in einer kleinen Pappschachtel in der Krimskramskiste für aussortierte Spielsachen und fristeten auf dem Dachboden ein trostloses Dasein.

Eines Tages aber zupfte jemand an dem Deckel der kleinen Schachtel.

Es war ein neugieriger Spatz, der sich, durch die einen Spalt breit geöffnete Dachluke gezwängt hatte, um den Dachboden zu erkunden.

Beim dritten Versuch gelang es ihm endlich, mit seinem Schnabel den Deckel der Pappschachtel zu entfernen.

Geblendet von dem hellen Licht, blinzelten ihm die vier Knöpfe aus der Tiefe entgegen.

"Nanu, wer seid ihr denn", fragte der kleine Spatz.

"Der braune mittelgroße Knopf antwortete: "Vier längst vergessene Knöpfe, seit Jahren in dieser Schachtel, von niemandem vermisst und zu nichts mehr zu gebrauchen".

Der lebenslustige kleine Spatz, der jeden Tag als ein neues, spannendes Abenteuer empfand, erwiderte: "Jedes Ding und jedes Lebewesen auf der Erde hat sein Nutzen, dazu wurde es von Gott geschaffen".

"Was zu beweisen wäre", brummelte ein großer gelber Knopf mit riesigen Löchern mürrisch.

Die anderen beiden Knöpfe schwiegen zustimmend.

Es war zum einen ein silbern glänzender Metallknopf, der früher eine Kapitänsuniform geschmückt hatte und der alle Weltmeere kannte. Der andere war ein mit Grünspan besetzter Knopf mit einer Inschrift, in einer den restlichen Knöpfen unbekannten Sprache.

Dieser Knopf empfand sich als besonders nutzlos, da aus ihm auch noch ein großes Stück heraus gebrochen war, so dass er eher nur ein halber Knopf war. 

Er konnte sich noch schwach daran erinnern, eine sehr lange Zeit im Sand eines fremden Landes gesteckt zu haben, bis ihn der Enkelsohn jener Knöpfe sammelnden Oma beim Buddeln am Strand des fremden Landes entdeckte und seiner geliebten Oma als Souvenir mitbrachte. Wie hatte sie sich damals gefreut. Doch das war lange her, dachte der halbe Knopf traurig.  

Die anderen drei Knöpfe schauten auf Grund des ramponierten Aussehens des Knopfes aus dem fremden Land ein wenig geringschätzig und misstrauisch auf ihn herab,

denn was anders oder fremd ist, macht vielen Angst.

Der kleine Spatz aber ließ sich nicht beirren: "Ich werde euch vom Gegenteil eurer düsteren Gedanken überzeugen", sprach der Spatz, "gerade die nicht perfekten und Einsamen liebte Jesus besonders und hat ihnen ihren Platz im Leben gezeigt!" 

Mit diesen Worten schnappte er sich mit spitzem Schnabel den braunen Knopf und flog durch die Dachluke davon.

 

Nach kurzem Flug landete er auf dem Fensterbrett eines Kinderzimmers. Er hüpfte durch das zum Lüften geöffnete Fenster und legte den Knopf behutsam auf das Bett neben einen Teddybären, der nur ein Auge besaß. Als es Zeit zum Schlafengehen war, betrat ein kleiner Junge das Zimmer und blieb mit weit geöffnetem Mund, erstaunt und freudig überrascht, stehen. "Mama, Teddys zweites Auge ist wieder da", rief er freudestrahlend. "Na so was", antwortete seine Mutter, "wo wir doch überall gesucht und nichts gefunden haben, Sachen gibt´s!"

"Danke", rief der braune Knopf, doch der Spatz war schon längst verschwunden um den zweiten Knopf zu holen.

Er sauste durch die Dachluke, ergriff den großen gelben mürrischen Knopf und machte sich erneut auf die Reise. Auf seinen abenteuerlichen Ausflügen war er des Öfteren beim Zirkus Ravelli zwischengelandet und der Clown Pepe hatte ihm manche kleine Leckerei zugeworfen. Doch beim letzten Besuch war Pepe ziemlich traurig gewesen. An seinem Clownskostüm hatte sich ein besonders großer Knopf mit besonders riesigen Löchern befunden, durch die er, verbunden durch eine Leitung zu einer Wasserflasche in seiner Hosentasche, das Publikum nass spritzte. Ausgerechnet dieser Knopf war ihm beim Proben abgerissen und unauffindbar. Der Spatz legte den gelben Knopf behutsam auf die oberste Stufe von Pepes Wohnwagen und klopfte energisch mit seinem Schnabel an die Tür.

Groß war die Freude von Pepe, als er den Knopf entdeckte, der genau die passende Größe für den Wasserspaß seiner Zirkusnummer hatte.

Den dritten Knopf, den silbernen, den unser kleiner Spatz geschwind geholt hatte, schenkte er seiner besten Freundin, der Elster Elsa, die alles, was glitzerte und blinkte, von Herzen liebte und auch schon einmal stahl. Dort diente der Knopf noch viele Jahre als liebstes Spielzeug für die Elsterkinder.

Jetzt war nur noch der halbe Knopf mit der Inschrift übrig. Stumm und traurig lag er in der Schachtel, da er sich jetzt nicht nur überflüssig und nutzlos vorkam, sondern auch noch sehr einsam fühlte. 

Erneut sauste der Spatz durch die Dachluke und griff sich mit spitzem Schnabel den Trauerkloß und flog mit ihm direkt zum städtischen Knopfmuseum.

Der Direktor führte gerade eine Besuchergruppe vor einen Schaukasten und rief mit vor Stolz bebender Stimme: " Meine sehr geehrten Damen und Herren, hier sehen sie eine Hälfte eines besonders wertvollen antiken griechischen Knopfes, dessen anderer Teil leider bis auf den heutigen Tag verschwunden blieb.

In diesem Moment warf der Spatz den Knopf durch das leicht geöffnete Oberlicht des Museumsfensters und dieser fiel direkt vor die Füße des Museumsdirektors, der seit diesem Tag an Wunder glaubt, die einfach vom Himmel fallen.

Der antike Knopf war wieder ganz und wurde die Attraktion des Knopfmuseums.

 

Erschöpft und zufrieden ließ sich am Abend der kleine Spatz auf einem Ast in seinem Lieblingsgebüsch nieder. Kaum dass er saß, dankte er Gott für diesen wunderbaren Tag, denn was gibt es Schöneres, als hilfsbereit zu sein und die Freude der Beschenkten zu erleben.

Mit einem glücklichen Lächeln auf seinem Schnabel schlief der kleine Himmelsbote ein.  

Doch noch viel größer war das Glück bei vier Knöpfen, die, jeder auf seine Weise, ihren Platz in der Welt gefunden hatten.

 

Autor und Copyright © by Hans-Georg Wigge

Bildquelle: Pixabay


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